Viernheimer Zeitung 12.09.2006

Auch Jammern will gelernt sein

Hubert Burghardt brilliert mit seinem Programm „Schuld sind immer die anderen'

Viernheim. Selbst schuld, wer am Sonntagabend nicht in der Kulturscheune lachen konnte. Dort war nämlich Kabarettist Hubert Burghardt mit seinem Programm „Schuld sind immer die anderen" zu Gast. Auf Einladung der Sparkasse Starkenburg und im Rahmen der Tage des offenen Denkmals brachte der Dortmunder Politisches und Alltägliches gut pointiert auf die Bühne.
Jammern, aber richtig - das musste auch das Viernheimer Publikum erst einmal lernen. Kein Problem mit Hubert Burghardt, der den Dreh raus hat. Ein kurzer Stoßseufzer und dann noch mal ein starkes Schluchzen befreien das Publikum von zu großen Schuldgefühlen, denn „richtiges Jammern trägt zum Wohlgefühl bei", erklärt der Kabarettist, der diese Methode auch gern als mentale Reflexzonenmassage bezeichnet. Sein VHS-Grundkurs zum perfekten Jammerlappen ist einer der Höhe
punkte seiner fast zweistündigen Show. Hier bleibt kein Auge trocken und auch kein gesellschaftlicher Missstand ungenannt.
Burghardt versteht es, mit Leichtigkeit die halbe Welt zu beschuldigen: Versicherungen, Politiker, die Anti-Aging-Medizin - alles bekommt sein Fett weg. Besonders abgesehen hat es der Dortmunder Kabarettist auf die deutsche Fernsehlandschaft, „die offene Psychiatrie", wo jeder Irre, so Burghardt, freien Zugang habe.
So müssen unter anderem die Fernsehköche unter dem trockenen Humor des Mannes leiden, der sich selbst auch gerne als Schwarzseher bezeichnet und besingt. Musik ist nämlich abwechslungsreicher Bestandteil der Show, wenn Burghardt beispielsweise das wunderbare Leben 88-jähriger Greise beschreibt.
Aber nicht nur dabei zeigt sich der erfahrene Kabarettist wandlungsfähig. Bissig und geistreich schlüpft er vom Nadelstreifenanzug auch gerne in andere Verkleidungen und andere Rollen. Auf diese Weise vermittelt er seinen Zuschauern als gestresster Handwerker den gesellschaftlichen Nutzen der Schwarzarbeit und führt in diesem Zusammenhang auch die betriebwirtschaftliche Abkürzung BAT ein: „Bar auf die Tatze".
Als gealterter Jugendlicher versteht er dann weder die aktuellen Musikcharts, noch die Welt, denn kein Kind im Jahr 2006 scheint mit dem Begriff „Schallplatten" noch etwas anfangen zu können.
Burghardt witzelt nicht nur, sondern er schockt auch - wie mit dem Kochbuch für Bulimiekranke. Wenn sein Publikum dann doch lacht, hat er sein Ziel erreicht, denn „Schuld sind immer die anderen" soll nicht nur unterhalten, sondern auch anregen. Die Viernheimer jedenfalls waren davon begeistert. stb


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